Thalam - Leseprobe... ein Vorgeschmack.

Kapitel 1

Ich stand hoch über Thalam auf dem Felsen Ehlion und blickte auf die stürmische See, die unter mir wogte. Der herbe Geruch von Meersalz und Seetang durchzog die Luft, die mir bei jedem Atemzug prickelnd in den Lungen brannte. Gerade hatte ich noch in meinem warmen Bett in einer Kammer der Schule für Schwertkampf gelegen und geträumt. Doch als ich das Heulen des Windes hörte, das wie ein Lockruf in meinen Ohren klang, gab es kein Halten mehr.

Leise war ich in meine Kleider geschlüpft und hatte das Gebäude durch eine Seitentür verlassen. Diesen Weg nutzte ich häufiger für meine nächtlichen Abenteuer. Natürlich war es verboten, aber ich liebte diese Nächte und die damit verbundene Freiheit. Eilig war ich über den Pfad gelaufen, der zum Felsenplateau führte. Hier oben fühlte ich mich stark, als sei ich der Herrscher über ein unendliches Land.

Ich lauschte dem Wind, der Böen über das Küstenland trieb, als wollte er jemandem den Weg freiräumen, und stellte mir vor, ich wartete auf meine Späher. Mein Blick schweifte über das Wasser, als erwartete ich tatsächlich jemanden. Doch außer dem Nebel, der über dem Horizont aufzog und zu dieser Jahreszeit nicht ungewöhnlich war, konnte ich nichts entdecken.

Der Wind nahm zu und ich senkte meinen Kopf, um mich zu schützen, als ein besonders heftiger Windstoß mir die Kapuze vom Kopf riss und meine schulterlangen, braunen Haare ungestüm im Wind flatterten. Fröstelnd zog ich die Schultern hoch und zerrte hastig an dem groben Stoff meiner Kapuze, um sie mir wieder tief über das Gesicht zu ziehen. Die Zweige der Büsche wogten unruhig im Wind, irgendwo knackte ein Ast, ein Uhu stieß seinen Ruf aus.

Ein solches Unwetter wie heute hatte ich noch nicht erlebt. Ich schaute in den nachtschwarzen Himmel, über den schwere Wolkenfetzen jagten; ab und an fiel fahles Mondlicht durch die wenigen Lücken und tauchte die Umgebung in ein gespenstisches Licht. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Regen kam. Ich beschloss, zurück in meine Kammer zu gehen und dort das Gewitter abzuwarten.

Für einen Augenblick tauchten im trüben Mondlicht zwei merkwürdige Schatten über dem Meer auf. Das Tempo, mit dem sie Richtung Küste zogen, war schneller als der Nebel. Noch bevor ich die Szenerie eindeutig erkennen konnte, schob sich eine Wolke vor den Mond und nahm mir die Sicht. Irritiert starrte ich in die Nacht. Spielte mir meine Fantasie einen Streich? Ich kniff die Augen zusammen und wartete.
Als ich sie wieder öffnete, hatte die Wolke ihren Weg fortgesetzt. Winzige Lichtreflexe tanzten auf den Wellenkämmen. Die Schatten waren noch da und wurden größer, es gab keinen Zweifel: Es waren zwei riesige Männer auf mächtigen Pferden, die sich der Küste näherten. Zur Vorsicht erzogen, kauerte ich mich auf den Boden, damit sie meinen Umriss nicht wahrnehmen konnten. Gebannt verfolgte ich ihren schnellen Ritt.


Das nächtliche Licht reichte aus, um die Gestalten etwas genauer zu betrachten. Ihre Beine steckten in schwarzen Lederhosen und schweren Stiefeln. Riesige Köcher und große Bogen schwangen auf ihren Rücken im Takt des Galopps hin und her. An den Gürteln baumelten überdimensionale Schwerter, die das Mondlicht widerspiegelten. Die Haare trugen sie zu einem langen Zopf gebunden, der seitlich über ihrer Brust pendelte. Aber was mir den Atem stocken ließ, waren ihre Ohren: Sie waren lang und spitz.

„Das sind Jaher!“

Erschreckt von meinem eigenen Ausruf und den heranstürmenden Reitern drückte ich mich noch tiefer auf den Boden. Ohne mich zu bemerken, galoppierten sie keine zehn Meter an mir vorbei. Aus einer der Satteltaschen ragte ein länglicher Gegenstand. An seinem Ende befand sich eine Kugel, so groß wie eine Melone, gefolgt von einer weitaus kleineren, die sich kurz über der Öffnung der Satteltasche befand. Ein sanfter goldener Schein ging von diesem Ding aus. Ein sonnenheller Gegenstand? Ein Stab von zwei Metern Länge mit großen und kleinen Kugeln? Woran erinnerte mich das?

Aufgeregt versuchte ich, weitere Details zu entdecken, doch wieder schob sich eine Wolke vor den Mond.


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Dies war ein Auszug aus:

Gabriele Ennemann
Thalam
Die Hüter der Erde
Fantasyroman

1. Auflage 2015
Alle Rechte vorbehalten
© Copyright by
Riverfield Verlag, Basel
www.riverfield-verlag.ch
Umschlaggestaltung
Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Lektorat und Korrektorat
Dr. Mechthilde Vahsen, Düsseldorf
Druck und Bindung
CPi Ebner & Spiegel, Ulm
Printed in Germany
ISBN 978-3-9524523-2-5

»Fantasie ist das Tor zu einer anderen Welt,
man kann nie genug davon haben.«




Thalam - Die Hüter der Erde